Wundervoller Montag morgen

Ich wache auf. Die Sonne scheint nicht. Es regnet in Strömen. Der Himmel ist düstergrau - nichts ist übrig von dem wunderschönen Himmelblau. Ich liege ruhig in meinem Bett. Ich habe Zeit. Nicht viel, vielleicht 2 Minuten, aber das sollte reichen. Es reicht, um kurz in mich zu gehen. Zu fühlen, wer ich bin. Was ich bin... ein Mensch - einzigartig, wundervoll, aber leider völlig verstört von dieser Welt, deren Teil ich bin. Na ja, Geburtsschwierigkeiten sozusagen - 25 Jahre lang. Nicht mehr viel länger, so Gott will.

So könnte es sein. Aber zwischen mir im Hier und Jetzt, und diesem Morgen steht noch mindestens eine Nacht. Der eine oder andere Traum. Vielleicht ein Ausblick auf die Erleuchtung. Vielleicht auch einfach nur im Bett wälzen und nicht einschlafen können. Möglicherweise steht zwischen mir und dieser Illusion die Unendlichkeit. Eine Projektion, wie es werden könnte ist eben nichts weiter als eine Illusion... weniger als ein Traum.

"Aber ich würde doch gerne..." morgen aufwachen, und nicht mehr Leiden müssen. Nie wieder. Welches Leid? Das Leid, welches daraus entsteht, nicht zu verstehen. Unverstandene - ungespürte Gefühle. Tagein, tagaus. Jede Sekunde, in der ich nicht begriffen habe, daß diese Welt eine Bühne ist, auf der ich mit vielen anderen gemeinsam das Wesen eben dieser Bühne und ein kleines bißchen mehr erkunden darf. Keiner zwingt mich dazu - und doch beklage ich mich über "Leid", und dann würde ich sagen "aber das ist doch menschlich", und genau das ist es eigentlich überhaupt nicht. Oder doch?

Verunsicherung darüber, was "Mensch sein" eigentlich bedeutet. Sind wir denn nun alle unvollkommene Menschen, oder vollkommene Menschen und unvollkommene Seelen, oder ein vollkommenes Universum, welches sich einer neuen Vollkommenheitsstufe nähert? Oder all dies gleichzeitig?

Frustration. Eigentlich sollte ich doch wissen, daß wir einfach sind. Vor allem sollte ich fühlen, wie ich einfach bin.

Einmal mehr liege ich im Bett... eigentlich sitze ich. Mit dem Rücken lehne ich an einem Kissen, welches zwischen einer Wand und mir zerquetscht wird, so wie ich manchmal zwischen meinen eigenen Teilen, die nicht wissen, zu wem sie eigentlich gehören zerquetscht werde. Aus der Stereoanlage höre ich Musik, die alte Erinnerungen hervorholt. Damals... morgen...

In mir steigt eine schreckliche Angst auf. Wenn ich nicht mehr an damals oder morgen denken will, was bleibt dann noch von mir übrig? Ich weiß, wer ich bin, weil ich weiß, was ich erlebt habe, und weil ich weiß, was ich noch erleben will. Sagt mir mein Kopf, und dabei erfüllt mich ein komisches Gefühl. Es zeichnet sich ab, daß ich nämlich genau aus diesem Grund vergessen habe, wer ich eigentlich bin. Ich verwechsle wahre Identität mit Erinnerungsfetzen und Projektionen. Aber wer würde mit mir sprechen wollen, wenn ich nichts hätte, worüber ich sprechen könnte? Keine Erinnerungen, keine Pläne?

Würde etwa, wenn ich all dies aufgäbe, ein neues Verständnis entstehen? Ein Verständnis, welches Leid erlöst? Oder soll ich einfach aufgeben, weil aufgeben gerade ansteht? Einen Plan zu haben, alle Pläne aufzugeben, dürfte zu ungewollter Planlosigkeit führen - dabei möchte ich doch ohne Plan sein.

Jetzt.


© 2000-2011, Jashan Chittesh (fka Holger Wagner) (http://www.ramtiga.com)
Vervielflätigung außer zu kommerziellen Zwecken ist ausdrücklich
erlaubt und erwünscht, so lange keine Änderungen gemacht werden
und der Text vollständig und inklusive dieser Zeilen weitergegeben wird.

zurück zur Navigationszentrale


Last modified: Monday September 18 2000
by - www.ramtiga.com