Liebe

Liebe ist die Kraft des Herzens. Liebe existiert nur in der Wahrheit. Illusionen entstehen, weil es an Liebe mangelt. Wo Illusionen und Fantasien sind, kann die Liebe nicht sein - und wo die Liebe hinkommt, lösen sich alle Illusionen und Fantasien schlagartig auf.

Liebe unterscheidet urteilt nicht. Es gibt kein "gut", es gibt kein "schlecht". Weder "richtig", noch "falsch". Liebe bedeutet, bedingungslos und akzeptierend zu fühlen. Sensibel zu werden. Was dann übrig bleibt, ist die Wahrheit. Wenn gerade Freude da ist, bedeutet Liebe "Freude". Wenn gerade Trauer da ist, bedeutet Liebe "Trauer". Ist es Schmerz, so bedeutet Liebe "Schmerz" - und auch Haß und Wut werden erst durch die Liebe klar und rein. Nichts muß mehr ausagiert werden - alles bleibt innen. Keine Ablenkung mehr.

Liebe existiert nur im Unmittelbaren. Direkt und ohne Umschweife. Wenn sich irgendetwas zwischen das Bewusstsein und die Wahrheit gestellt hat, kann es sich bei der scheinbaren "Liebe" nur noch um eine Erinnerung handeln. Verblassende Schatten.

Liebe erfahren bedeutet, sich einem Strom hinzugeben. Dieser Strom wäscht alle Strukturen langsam davon, die man aufgebaut hatte, um Gefühle zu vermeiden. Das bedeutet, daß diese Gefühle wieder auftauchen. Sie waren weggepackt und abgestorben - nun erwachen sie wieder zum Leben.

Für die meisten Menschen bedeutet wahre Liebe eine sehr schmerzvolle Erfahrung. Auf einmal ist etwas da, was man so dringend gebraucht hätte - und nie wirklich bekommen hat. Die Vorstellung, man hätte es bekommen, muß sich auflösen, damit sie nicht mehr zwischen der wahren Liebe und dem Menschen steht. Man erkennt, daß man voller Haß ist - weil man nur überleben konnte, indem man sich abgrenzt. Man hat sich selbst zutiefst verraten - und es nicht einmal gemerkt. Nun steht man da, wie ein Häufchen Elend, ein Niemand und Nichts. Und das soll Liebe sein? Zweifel und Resignation verdunkeln den Himmel.

Es ist ein Prozess. All die Jahre - all die vielen Leben - ging es immer nur darum, irgendwie durchzuhalten, zu überleben. Irgendwie den Anforderungen der Außenwelt entsprechen - und dabei sich selbst immer mehr und mehr vergessen. Ein solcher Zustand ist nicht auszuhalten - erst recht nicht ohne Liebe - also legt man sich Vorstellungen zu. Vorstellungen, Illusionen und Fantasien. Ein Puffer. Ein Schutzpanzer. Man endet in einer Welt, die fast ausschließlich aus Träumen besteht. Und diese Welt gilt es aufzugeben.

Natürlich glaubt man, wenn der Schmerz kommt, geht man unter. Der Schmerz ist da, weil man längst untergegangen ist. Man glaubt, man bricht zusammen - dabei ist man längst zusammen gebrochen. Es sieht aus, als sei der Prozess paradox - dabei ist man selbst Paradoxon geworden.

Aber der Schmerz zieht durch, wie eine Wolke am Himmel. Hält man ihn auf, verdunkelt sich der Himmel nur immer mehr und mehr. Lässt man ihn durchziehen, so klärt sich alles auf. Der Schmerz verschwindet am Horizont, und es bleibt Klarheit und Liebe. Weil man den bedeckten Himmel so gewohnt ist, glaubt man ein kleines Loch wäre schon der ganze Himmel.

Dann wundert man sich, wenn da noch mehr Schmerz ist. Noch mehr Haß. Noch mehr Minderwertigkeit. Aber alles kann durchziehen, wenn man es durchziehen lässt. Und mit der Zeit klärt sich die Gefühlswelt immer mehr. Man wird ursprünglich - so wie man eigentlich schon immer war. Der Himmel zieht zu, und öffnet sich wieder. Und man erkennt, daß die Liebe eigentlich die ganze Zeit in einem selbst schlummerte. So verzweifelt hatte man gesucht - und konnte nie finden, weil man an den falschen Orten suchte.

Die ganze Zeit über war man abgelenkt - hat sich abgelenkt. Und dann blubbern wieder Blasen voller Schmerz hoch... Schmerz und Schrecken. Aber als Liebender - zu dem man in diesem Prozess wird - ist man die Oberfläche, an der diese Blasen platzen und verschwinden. Als hätten sie nie existiert.

Als man sie kommen sah, dachte man, sie würden einen zerfetzen. Und manchmal fühlt sich das tatsächlich so an. Aber das tun sie nicht. Erst sind es nur Blasen. Dann ist der Schmerz Schmerz, der Schrecken ist Schrecken. Und wenn sie zerplatzt sind, sind sie zerplatzt. Übrig bleibt der, der das alles beobachtet. Derjenige, der liebt.

Ein stiller Bergsee, in dem sich der Himmel spiegelt.


© 2000-2011, Jashan Chittesh (fka Holger Wagner) (http://www.ramtiga.com)
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Last modified: Thursday June 02 2011
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